Nr.3

"This Is The Right Way"

Am letzten Wochenende hieß es für mich “Yallah Yerushalayim!“ (Auf nach Jerusalem).           

 

Bevor ich Euch aber von meiner "Reise nach Jerusalem" erzähle, vorab noch ein paar andere Erlebnisse:

 

Letzten Montag war ich bei einem sogenannten Tandem-Treffen. Das ist eine Art Sprachaustausch. Alle die Lust haben, egal woher und wie alt, treffen sich in einem Hostel am Strand von Tel Aviv und man unterhält sich in den Sprachen, in denen man sich verbessern möchte. Zum größten Teil wurde aber Englisch geredet und es diente mehr dazu interessante Leute kennenzulernen.

 

Am Mittwoch war ich das erste Mal seit Juni wieder richtig tanzen. Ich habe durch Zufall ein kleines Tanzstudio bei uns in der Nachbarschaft gefunden, die unter anderem auch modernes Ballett, das mehr in Richtung Lyrical oder Contemporary geht, anbietet. Auch wenn ich mir ehrlich gesagt wie ein unbeweglicher Kartoffelsack vorkam, hat es doch sehr viel Spaß gemacht und die Mädchen in der Gruppe sind alle ungefähr in meinem Alter.

 

In meinem Kindergarten bereiten sich alle gerade eifrig auf Rosch Haschana, das jüdische Neujahr, vor. Die Kinder haben zum Beispiel Äpfel und Granatäpfel gebastelt. Traditionell isst man an Rosch Haschana nämlich Äpfel mit Honig, weil man sich ein süßes neues Jahr wünscht. Die Granatäpfel werden aufgrund der vielen kleinen Samen gegessen, die für die vielen guten Sachen im neuen Jahr stehen.

 

Zu meiner WG sind noch zwei weitere Mädchen aus Süddeutschland gestoßen, Barbara und Katharina. Die beiden arbeiten auch in WiZo-Kindergärten. Das WG-Leben funktioniert echt super und macht total viel Spaß, allerdings ist es doch manchmal schwer sich zu sechst (und auch noch alles Mädchen) ein Bad zu teilen.

 

Jetzt zu Jerusalem: Am Donnerstagabend der letzten Woche machten sich Lara, Joanne, Flore und ich mit dem Bus auf den Weg nach Jerusalem. Man fährt nur eine Stunde und die Fahrt ist um einiges billiger als ein 1B Ticket bei der KVB. Weil viele orthodoxe Juden über Sabbat zu ihren Familien nach Jerusalem oder zum Beten an die Klagemauer fahren, waren wir, soweit ich das mitbekommen habe, die einzigen vier Menschen in diesem Bus OHNE Kippa und Schläfenlocken.

Im Bus mussten wir erstmal Laras Schlafsack auspacken, weil die Temperatur aufgrund der Klimaanlage arktische Verhältnisse annahm. Mit der Klimatisierung sparen die Israelis wirklich nicht. In Jerusalem angekommen trennten Lara und ich uns vorübergehend von Joanne und Flore, da die beiden eine andere Unterkunft gefunden hatten. Wir haben beide Nächte bei einem jungen Mann namens Isaack und seinen Mitbewohnern verbracht. Isaack haben wir über die Internetseite Couchsurfing gefunden. Dort bieten einem viele Leute Schlafplätze auf ihren Sofas oder sonstigen Schlafmöglichkeiten in ihrer Wohnung an und das alles auch noch kostenlos. Das kommt uns Freiwilligen natürlich gerade recht. Den ersten Abend haben wir mit Isaack und seinem Mitbewohner Eres draußen auf der Terrasse verbracht. Es wurde musiziert, gesungen, gelacht und über vorige und noch in der Zukunft liegende Reisen geredet. Isaack, fährt diesen Sonntag mit einem One-Way-Ticket nach Indien.

Am nächsten Morgen sind wir mit Isaack zum Suk, das ist das hebräische Wort für Markt. Dort haben wir dann auch Joanne und Flore wiedergetroffen und außerdem sind noch zwei andere Freiwillige, Kathi und Isabelle dazu gestoßen, die in der nächsten Nacht bei Isaack übernachtet haben.

Der Suk ist total cool. Überall bieten die Händler ihre Ware an, man kann probieren und überall riecht man orientalische Gewürze. Joanne und ich haben uns natürlich auf den nächstbesten Dattelstand gestürzt. Datteln, Couscous und Hummus sind hier zu meinen Grundnahrungsmitteln geworden. Die ergatterten Datteln waren bis jetzt auch mit Abstand die besten (siehe Foto).

Von da aus sind wir zur Altstadt gelaufen. Die hat mehrere Eingänge, je nachdem in welches Viertel man möchte. Da wir als aller erstes zur Klagemauer und somit ins jüdische Viertel wollten, haben wir das Jaffa-Tor passiert. Bevor wir zur Klagemauer konnten, wurden wir natürlich erst noch kontrolliert. In Jerusalem sind Kontrollen deutlich häufiger als in Tel Aviv und auch schwer bewaffnete Soldaten sieht man öfter.

Die Klagemauer ist beeindruckend! Auch wenn nicht besonders viel los war, war es dennoch sehr eindrucksvoll, an einem so heiligen Ort zu sein, der viele gläubige Menschen emotional und spirituell bewegt. Die Mauer an sich ist in zwei Abschnitte unterteilt. Auf der linken Seite beten die Männer, auf der rechten die Frauen.

Nach unserem Besuch an der Klagemauer sind Lara und Isabelle zu einer Rooftop-Party weitergezogen, während Joanne, Flore, Kathi und ich uns auf den Weg zur christlichen Grabeskirche machten.

Die Grabeskirche ist überfüllt von Pilgern aus aller Welt, da man hier neben dem Salbungsstein, auf dem Jesu' Leichnam angeblich gesalbt wurde, auch einen Teil des Felsen auf dem das Kreuz stand berühren kann. Außerdem ist es möglich eine Nachbildung des heiligen Grabs zu betreten.

Direkt am Eingang der Kirche befindet sich der Salbungsstein. Viele Pilger legen dort ihre mitgebrachten Kreuze oder Ketten nieder. Die meisten gießen allerdings Öl über den Stein und wischen dies mit einem Taschentuch wieder auf. Dieses Ritual ersetzt den altertümlichen Brauch der Pilger, den Stein zu küssen und dabei ein kleines Stück des Steins abzubeißen. Irgendwann kam man nämlich zu der Einsicht, dass nach einiger Zeit Steine beißen, nichts mehr von dem Stein übrigbliebe. Das gleiche gilt wahrscheinlich für diverse Zähne.

Mir persönlich hat einmal anfassen gereicht, ergo habe ich praktisch Jesus berührt und bin jetzt sozusagen eine Heilige.

Das Heilige Grab selbst ist ein sehr kleines Gebäude innerhalb der Grabeskirche. Es passen immer nur ca. 5-6 Menschen auf einmal in das kleine Haus und man wird mehr oder weniger rabiat von einem Priester aufgefordert schnell weiterzugehen.

Im Heiligen Grab angekommen werfen sich viele Gläubige förmlich zu Boden um zu beten. Das war schon eine sehr interessante Erfahrung.

Am Freitagabend konnte Isaack für Kathi, Isabelle, Lara und mich ein Sabbat-Essen in einer anderen WG organisieren. Unsere drei Gastgeber Elad, Raanan und ein Mitbewohner, dessen Name uns leider allen entfallen ist, haben typisch israelisches Essen für uns gekocht. Es gab mehrere kleine Gerichte von denen man sich dann einfach nehmen konnte. Das typische Sabbatbrot haben die Jungs leider im Voraus nicht mehr bekommen. Bevor allerdings das Essen begann, wurde noch ein Segen über dem Wein ausgesprochen, von dem danach jeder einen Schluck trank.

 

Wir hatten einen total netten Abend, haben über Politik, Musik und Reisen geredet und israelische Musik gehört.

 

Isaack haben wir leider nicht mehr gesehen, weil er den letzten Sabbat, bevor er nach Indien geht, noch mit seiner Mutter verbringen wollte.

 

Am Samstag haben wir uns den arabischen Teil der Altstadt vorgenommen, da in diesem Teil der Stadt natürlich kein Sabbat gefeiert wird. Man betritt diesen Abschnitt der Altstadt durch das Damaskustor. Der Eingang des arabischen Teils unterscheidet sich grundlegend von dem des jüdischen Teils. Im jüdischen Bezirk scheint alles geordnet und sauber. Im arabischen Teil hingegen tobt das Leben. Überall versuchen Händler ihre Ware zu verkaufen. Menschen gehen die Straße auf und ab und überall riecht es nach wunderbaren orientalischen Gewürzen. Viele der Händler versuchen einen mit dem sehr überzeugenden Werbespruch „This Is The Right Way“ in ihr Geschäft zu locken. Anscheinend ist man als blonde Deutsche jetzt übrigens Chinesin. Jedenfalls laut Angabe der arabischen Händler.

 

Während Lara und Isabelle, die am vorigen Tag noch nicht in der Grabeskirche waren, diese jetzt ansahen, beschlossen Kathi und ich das Dach eines alten österreichischen Hostels zu besichtigen. Der Ausblick von dort oben war unglaublich! Man hatte einen tollen Blick über die komplette Altstadt und natürlich auf den Tempelberg und den in der Sonne golden schimmernden Felsendom.

 

Danach schlenderten wir noch etwas weiter zum Lionsgate und sahen uns auf dem Weg noch zwei weitere Kirchen und eine alte Ruine an, bei der wir bis jetzt noch nicht wissen, welches Gebäude dort früher einmal gestanden haben könnte.

 

Vor unserer Abfahrt haben wir uns zu viert noch auf einer Wiese vor dem Damaskustor ausgeruht, weil wir alle platt vom vielen Laufen und den vielen Eindrücken waren. Mit dem Bus ging es schließlich wieder zurück nach Tel Aviv, wo wir von der gewohnten schwül-warmen Luft begrüßt wurden. Am Busbahnhof konnte man jetzt viele Soldaten sehen, die nach dem Wochenende zurück zu ihren Dienststellen überall in Israel fahren mussten.

 

Dieses Wochenende bleiben wir zu Hause, ruhen uns ein wenig aus und planen die nächste spannende Reise.

 

Bis dahin, macht es gut!

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 4
  • #1

    Dein Dad (Mittwoch, 21 September 2016 19:04)

    Wie immer ein sehr informativer, cooler und wunderbar geschriebener Blogpost. Ich hatte das Gefühl dabei gewesen zu sein und kann es kaum erwarten, das Alles selbst zu sehen.

  • #2

    Susanne Freisberg (Donnerstag, 22 September 2016 09:39)

    Liebe Sara, deine Berichte sind wirklich wunderbar. Denke doch nochmal an die Youth Reporter...
    Toll - liebe Grüße an alle anderen Israelis.

  • #3

    Mama (Donnerstag, 22 September 2016 16:24)

    Liebe Sara, deine Einträge lesen sich so interessant und spannend wie ein Buch. Es freut mich so sehr, dass du eine erfüllte Zeit hast. Genieße sie Deine Mama

  • #4

    dat ännchen (Donnerstag, 06 Oktober 2016 22:26)

    Da bin ich endlich mal dazu gekommen deinen blog zu lesen, bin jetzt offiziell up to date