Auf der Suche nach Wasser, Essen und Jesus
Der Oktober in Israel besteht, wie ihr in den letzten Blogeinträgen ja schon mitbekommen habt, zu 70% aus Feiertagen.
Nach Rosh’Haschana wird Yom Kippur gefeiert. An diesem Tag geht in Israel wirklich gar NICHTS. Man kann auf der Autobahn spazieren gehen und viele Leute machen Fahrradtouren. An Yom Kippur reflektieren die Israelis das letzte Jahr. Was war gut und was war schlecht? Was möchte man im kommenden Jahr verbessern, welche Rechnungen müssen noch abgeschlossen werden, bei wem muss man sich vielleicht noch für Taten des letzten Jahres entschuldigen.
Am darauffolgenden verlängerten Wochenende ist dann Sukkot, das sogenannte "Laubhüttenfest". An Sukkot wird die Wüstenwanderung nach dem Auszug aus Ägypten zelebriert. Die Juden bauen Tage vorher das „Sukka“, eine Laubhütte in der dann eine Woche lang gegessen wird. Die orthodoxen Juden schlafen sogar darin. Die Laubhütte wird gebaut, da die Thora besagt, dass die Juden genau in diesen Laubhütten während der Wanderung aus Ägypten gelebt haben.
Obwohl sich Sukkot über eine Woche erstreckt, werden meist doch nur der erste und der letzte Tag gefeiert. Ich hatte deshalb also an beiden Sukkot-Wochenenden von Freitag bis Montag frei. Diese Zeitspanne passte perfekt, um unseren Plan umzusetzen, den Jesus Trail/Gospel Trail zu wandern. Dieser ist 65 Kilometer lang und führt von Nazareth nach Capernaum am See Genezareth.
Bevor unser Trip freitags aber losgehen konnte, mussten Kathi und ich feststellen, dass sich ein paar unerwünschte Besucher auf unseren Köpfen eingenistet hatten. Für alle die das Rätsel noch nicht gelöst haben, die Rede ist von Läusen. Das passiert nun mal, wenn man mit kleinen Kindern arbeitet…aber dennoch machten wir uns am Freitagmorgen auf den Weg nach Nazareth.
arbeitet…aber dennoch machten wir uns am Freitagmorgen auf den Weg nach Nazareth.
Dort angekommen mussten wir dann erstmal herausfinden wo genau der Jesus Trail denn überhaupt anfängt. Auf unseren zwei mitgebrachten Karten gab es nämlich auch zwei verschiedene Startpunkte. Alle schwer bepackt mit Wanderrucksäcken und natürlich gaaaaaaanz viel Essen entschieden wir uns für den Weg auf den Mount Precipice. Nach einer "kleinen" Wanderung, ging auch auf dem Berg die Suche nach dem offiziellen Beginn des Jesus Trails weiter. Dieser ist nämlich ein unscheinbarer kleiner Pfad, den man leicht mal übersieht.
Der erste Weg führte uns den Berg wieder hinunter und durch einen Wald zu einer Straße, an der wir bestimmt eine halbe Stunde lang vergeblich versuchten herauszufinden, wo es weitergeht, weil es uns zum einen an Karten-Lese-Fähigkeiten und zum anderen an ausreichender Beschilderung mangelte. Nach dem wir jedoch zwei Mal dem falschen Pfeil gefolgt und einen recht steilen Hügel rauf und runter gelaufen waren, haben wir dann zuletzt doch noch den richtigen Weg gefunden.
Da zu diesem Zeitpunkt aber schon die Mittagssonne auf unsere Köpfe brannte und uns der Schweiß nur so den Körper herunterfloss, machten wir es uns prompt mitten auf dem gerade schattigen Weg bequem und begannen damit unsere reichhaltigen Vorräte zu verzehren – und da man in der Mittagssonne ja nicht wandern soll, bereiteten wir uns auf dem Waldweg auch noch ein Bett zum Mittagsschläfchen. Das sollte in den kommenden Tagen zur Gewohnheit werden.
Gegen 14:00 Uhr mussten wir aber aufbrechen, schließlich wollten wir am ersten Tag 15 Kilometer schaffen und hatten gerade mal 3 Kilometer hinter uns gebracht. Von unserem Rastplatz aus wanderten wir eine ganze Weile bergauf und bergab und die Hitze machte uns dabei ganz schön zu schaffen. Jeder von uns hatte ungefähr 1,5 Liter Wasser dabei, die sich allerdings schon nach wenigen Stunden dem Ende zuneigten.
Zu unserem Glück kamen wir gerade an einem kleinen Örtchen vorbei, in dem uns eine Anwohnerin nicht nur frisches, kaltes (!!!) Wasser, sondern auch Waffeln und Schokolade mit auf den Weg gab. Wir sind uns alle sicher, dass sie uns zu späterer Stunde auch einen Schlafplatz angeboten hätte, da sie ziemlich entgeistert von der Idee war, dass wir „Bachutz“ also draußen schlafen wollten.
Frisch gestärkt wanderten wir allerdings noch ein paar Stunden weiter bis wir gegen 19:00 Uhr beschlossen uns einen Platz für die Nacht zu suchen. Erst nach einer längeren Suche fanden wir eine geeignete Schlafstelle etwas unterhalb des Weges, da sich auf beiden Seiten des Wanderwegs nichts als Gestrüpp und unebener Boden finden ließ. Erschöpft und müde machten wir es uns so bequem wie eben möglich, aßen unser übliches Pita Brot mit Humus und schliefen schließlich, angestrahlt vom Mond, ein.
Mehr oder weniger ausgeschlafen wanderten wir am nächsten Morgen weiter. Das Ziel des Tages war 20 Kilometer zu erwandern und es sollte der anstrengendste Teil des Trails werden. Schon nach einer Stunde legten wir eine Frühstückspause ein. Danach ging es weiter auf einen sehr steilen Berg zu, mitten im Nirgendwo und wieder waren unsere Wasservorräte fast aufgebraucht. Diesmal gab es weit und breit kein Dorf und so auch keine Gelegenheit Wasser aufzufüllen. Schon leicht verzweifelt und sehr durstig teilten wir die letzten Schlucke Wasser unter uns auf. Durst hatten wir danach immer noch. Nach einigen Kilometern dann endlich der Lichtblick: Eine Familie, die am Wegesrand picknickte bot uns zwei kalte (!!!) Flaschen Wasser an.
Passend zur Mittagszeit erreichten wir eine Raststätte, wo wir den wohl bisher besten Falafel und das beste Sawarma aßen. Für unser Mittagsnickerchen ließen wir uns auf einem Feld mit ganz vielen Olivenbäumen nieder.
Bei Sonnenuntergang erreichten wir einen Friedhof, vor dem sich ein Waschbecken befand, welches wir dazu benutzen um uns nach zwei Tagen das erste Mal zu waschen. Nach all dem Schwitzen, auf dem Boden schlafen und Rucksack tragen fühlten wir uns einfach schmutzig und waren uns teilweise nicht mehr sicher, was auf unserer Haut Dreck und was Bräune war.
Außerdem konnte man von den Sofas, die ziemlich random in der Gegend rumstanden, den tollen Sonnenuntergang über den Feldern betrachten.
Gegen Abend ließen wir uns zum Schlafen auf einem Feld direkt am Wanderweg nieder. Von dort aus konnte man in der Ferne schon den See Genezareth sehen. Darüber freuten wir uns besonders, weil wir schneller waren als die anderen deutschen Freiwillgen aus Kathis und Babsis Organisation, die vor uns den Weg nach Capernaum gegangen waren.
Der dritte Tag begann mit dem Aufbrauchen unserer restlichen Essensvorräte (ihr seht wohin das führt). Voller Elan gingen wir die letzten Kilometer zum See, der jedoch noch weiter entfernt war als gedacht. Die Landschaft dort hat mir insgesamt am besten gefallen: Von einem Plateau aus hat man eine tolle Sicht auf den See. Danach steigt man hinunter in ein Tal bevor man über eine große Straße zum See geleitet wird.
Um die Mittagszeit herum erreichten wir eine kleine Stadt. In der Hoffnung unsere Vorräte aufzufüllen, machten wir uns auf die Suche nach einem Supermarkt – leider vergeblich. Als einzige Möglichkeit blieb uns ein kleiner Kiosk, in dem wir Kekse, Chips und Eis kauften. Diese "Nahrungsmittel" haben wir dann natürlich mit Humus verzehrt, was auch sonst. Ich kann nun stolz von mir behaupten, dass ich wirklich ALLES mit Humus gegessen habe. 'Eis mit Humus' kann man sich meiner Meinung nach sparen, aber Kekse schmecken damit tatsächlich gut!
Nach unserem Mittagsschläfchen unter einem Baum am Rande des Weges, ging es durch eine Art abgegrenzte Anlage weiter, wo Kühe genüsslich trockenes Gras fraßen und wir von einem nicht ungefährlichen Hund verfolgt wurden, dem wir alle krampfhaft versuchten nicht in die Augen zu schauen.
Am Abend erreichten wir dann endlich den See und es stellte sich die übliche Frage "Was essen?". Unser eigentlicher Plan war es Pizza essen zu gehen. Das erste Restaurant bot keine Pizza an. Das nächste Restaurant war 2 Kilometer entfernt, hatte weder Pizza im Angebot und war dazu auch noch viel zu teuer für unsere Verhältnisse. Ein weiteres, uns im nahegelegenen Hotel empfohlenes Restaurant im anliegenden Kibbuz war leider geschlossen. So liefen wir also wieder zwei Kilometer zum ersten Restaurant zurück und aßen dort Schnitzel in Pita und Falafel. Das hatte dann den angenehmen Vorteil, dass uns der Besitzer anbot über Nacht einfach in dem großen Außenbereich des Restaurants zu bleiben. Das konnten wir natürlich kaum ausschlagen – und neben gutem Essen und einem Schlafplatz bot der Inhaber uns dann auch noch eine unfassbar emotionale Karaoke-Performance hebräischer Schnulzen.
An diesem Abend, anders als an den vorherigen, blieben wir länger wach als bis halb neun. Als Belohnung für die bisher zurückgelegte Strecke und weil wir alle ein Bad wirklich nötig hatten, beschlossen wir im See Genezareth schwimmen zu gehen. Um wirklich sauber zu werden und weil Kathi und ich das noch nie gemacht hatten, beschlossen wir einfach wie Gott uns geschaffen hat im See zu planschen...und für alle die sich angesichts der biblischen Bedeutung des Sees jetzt diese Frage stellen: Leider hat keiner von uns es geschafft wie Jesus übers Wasser zu laufen. Der Messias ist wohl doch jemand anderes…
Gut ausgeschlafen und sauber machten wir uns am Morgen des vierten Tages auf den Weg, um die letzten Kilometer hinter uns zu bringen. Obwohl der Weg nicht mehr weit, und der Pfad komplett flach war, waren es doch mit die mit anstrengendsten Kilometer und mein Rucksack erschien mir doppelt so schwer an den Tagen zuvor. Vollkommen fertig, erleichtert und überglücklich zu gleich kamen wir mittags an einer wunderschönen Kapelle in Capernaum an.
Zum Abschluss unserer Wanderung und zur Feier des Tages wollten wir zum Essen nach Tiberias trampen. Mit sechs Personen kann das dann allerdings auch mal eine Stunde dauern. In Tiberias angekommen mussten wir umso enttäuschter feststellen, dass wegen des Feiertages wirklich ALLES bis auf den SuperPharm (das ist vergleichbar mit einem edlem dm) geschlossen hatte. Wir mussten uns also wieder nur mit Keksen und Müsliriegeln zufriedengeben und nahmen den nächsten Bus nach Hause. Dort wurden wir schon von Lara und Babsi, die an diesem Wochenende auf einem Festival gewesen waren, und von einer Dusche mit warmen Wasser erwartet.
Mein liebstes Wochenende bisher!
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Mama (Montag, 14 November 2016 15:25)
Habt ihr immer im Freien geschlafen? Gab es kein Hostel? Hattet ihr keine Angst vor irgendwelchen Tieren?
Bin schon gespannt auf den nächsten Bericht.
Liebe Grüße und Küsse
Mama
Dein Dad (Dienstag, 15 November 2016 09:13)
Toller Bericht über Eure Jesus-Trail Wanderung. Hinsichtlich Eurer immer schnell zu Ende gehenden Wasservorräte und der zweimaligen Rettung vorm Verdursten in letzter Minute könnte man fast auf den Gedanken kommen, dass sei kein Zufall gewesen....auf diesem!! Wanderweg.
Wie immer wunderschöne Fotos dazu...ich liebe Deine Fotos...;-)
Drück Dich gaaaanz doll, Papa
Florchouk (Dienstag, 15 November 2016 17:45)
LIFE IS AMAZING !!! Definitly the best experience since we're here, I'm so glad to be with youuuuuu chamouda sheli lovelove
Das Biest (Donnerstag, 17 November 2016 15:50)
Humus beste;)